Outdoor-Sport und Bewegung, Eigenverantwortung, und die Veränderung des Lebensstils, ein Interview mit Petra Thaller
Ein Interview über Outdoor-Sport und Bewegung, Eigenverantwortung, und die Veränderung des Lebensstils
"Ich habe gehofft ein Interview mit Petra zu machen, da ich sehr begeistert von OAC war, als ich das erste Mal darauf stieß beim Schreiben meiner Seminararbeit über dieses Thema: Gesundheitsförderung durch Sport am Beispiel der Krebstherapie.
Es hat mich beeindruckt wie viel man doch durch Bewegung und die gegenseitige Motivation in einer Gruppe erreichen kann. Hinzu kommt noch die Ambition von Petra selbst und die unentwegt begeisterten Rezensionen der Teilnehmer. Einfach eine unglaubliche Bewegung in die richtige Richtung, meiner Meinung nach, und ein sehr spannendes Thema bei dem man selbst sehr viel lernen kann." Johanna Höglauer
"Ich habe gehofft ein Interview mit Petra zu machen, da ich sehr begeistert von OAC war, als ich das erste Mal darauf stieß beim Schreiben meiner Seminararbeit über dieses Thema: Gesundheitsförderung durch Sport am Beispiel der Krebstherapie.
Es hat mich beeindruckt wie viel man doch durch Bewegung und die gegenseitige Motivation in einer Gruppe erreichen kann. Hinzu kommt noch die Ambition von Petra selbst und die unentwegt begeisterten Rezensionen der Teilnehmer. Einfach eine unglaubliche Bewegung in die richtige Richtung, meiner Meinung nach, und ein sehr spannendes Thema bei dem man selbst sehr viel lernen kann." Johanna Höglauer
Experteninterview mit Petra Thaller
Interviewpartner: Petra Thaller PT
Interviewdurchführende: Johanna Höglauer JH
Interviewdatum: 21.06.2021
JH Wie stehen Sie in Verbindung zu Sport und der Krankheit Krebs?
JH Wie stehen Sie in Verbindung zu Sport und der Krankheit Krebs?
PT Das ist eine leicht zu beantwortende Frage, da ich selbst ein sehr sportlicher Mensch bin und an Brustkrebs erkrankt war. Damals bin ich sehr fit in die Krebstherapie eingestiegen, weil ich gerade vom Höhenbergsteigen aus Neuguinea zurückgekommen bin und auch mein Leben lang Sport gemacht habe. Ich stehe dem Aspekt von Bewegung und Sport in der Natur also sehr positiv gegenüber.
JH Wie kam es zu „Outdoor against Cancer“ (OAC) und was soll es bewirken?
PT Die Grundidee entstand während meiner Chemotherapie, als ich mit einem Freund eine Skitour ging. Ich war zu dieser Zeit in meiner Chemotherapie überdurchschnittlich fit und da meinte mein Freund, ob wir denn nicht auch mit anderen Krebspatienten in die Berge gehen wollen. Dieser Gedanke ließ mich dann nicht mehr los und drei Tage später habe ich schon begonnen mich damit näher zu beschäftigen, ich fragte Freunde aus der Medizinbranche, schaute mir Studien an und nach und nach entwickelte sich bereits während meiner eigenen Therapie meine Website, ich war auf einer internationalen Pressekonferenz und vieles mehr. Und so hat dann alles mit guten Nerven und harter Arbeit seinen Lauf genommen.
JH Wieso ist der zusätzliche „Outdoor-Aspekt“ beim Sport in Bezug auf eine Krebstherapie besonders wichtig?
PT Bei Krebspatienten ist das Immunsystem normalerweise durch eine Chemo-, Strahlentherapie, Operation, etc. heruntergeregelt. Es wäre also sehr unvorteilhaft in diesem Zustand ins Fitnessstudio zu gehen, wo Leute mit Schnupfen und Husten sind und man sich leicht etwas einfangen kann. Der Punkt ist, wenn du draußen bist, machst du schon einmal den Schritt vor die eigene Haustür. Man ist draußen in der Natur mit frischer Luft, hat die Möglichkeit Vitamin D aufzunehmen und sammelt andere Eindrücke als in einem klinischen Setting oder geschlossenem Raum. Diese Sinneseindrücke, wie der Geruch nach frisch gemähtem Gras oder das Hören von zwitschernden Vögeln sind ja nicht nur für die Psyche förderlich, sondern das draußen aktiv stärkt das Immunsystem und das wiederum garantiert einen besseren Therapieverlauf.
JH Was ist das Fatigue-Syndrom und inwieweit hilft OAC bei dessen Bewältigung?
PT […] Das Fatigue wird durch körperliche Aktivität in vielen Fällen zwar nicht ganz ausgelöscht, aber es wird deutlich besser. Wenn man sich nun aber vorstellt, dass man das in einem Fitnessstudio macht, in dem alle fit, gestylt und sonst noch was sind, du selbst aber schon total erschlagen bist, ist das nicht besonders motivierend. Es ist für Krebspatienten also wichtig in einem Setting zu sein, wo die Leute gut drauf sind und sich gegenseitig motivieren. Zudem sind wir auch weltweit die einzigen, bei denen es möglich ist, alle zu unseren offenen Kursen mitzunehmen, damit auch sie die Angst vor dem Krebs verlieren. Also sowohl Freunde als auch Familie und Haustiere (lacht).
JH Wieso ist Ihnen der Sport als Gruppe so wichtig?
PT Weil wir keine Selbsthilfegruppe sind, also in der Gruppe wird nicht wirklich über den Krebs gesprochen, das passiert eher zuvor mit mir oder anderen Trainern bei der Anamnese. Die Patienten kommen also nicht ins Training, um sich bei den anderen auszukotzen, sondern um sich gegenseitig zu motivieren und voneinander zu lernen. Außerdem sind es sehr gemischte Gruppen, bei denen sowohl Gesunde zur Prävention und Genesene zur Rehabilitation teilnehmen als auch Kranke während der Therapie und frisch erkrankte. Eine optimale Mischung eben, die motiviert […]
JH Welche Entwicklungen und Erfahrungen können Sie bei Teilnehmern wahrnehmen?
PT Also zum einen verändern sie alle ihren Lebensstil, was sie auch sollen. Sie erledigen viel mehr Dinge im Alltag mit dem Fahrrad und zu Fuß und manche kommen dann sogar zum Training mit dem Rad. Sie werden also körperlich aktiver durch ein Umdenken von ‚Ich muss jetzt Sport machen, weil es mir eigentlich guttut.‘ zu ‚Jedes Mal, wenn ich eine sportliche Aktivität wie Radfahren, Joggen, etc. mache, geht es mir viel besser.‘ Und zum anderen ernähren sie sich auch gesünder, sprich weniger Junkfood etc., da sie dadurch ein geringeres Erkrankungs- und Rückfallrisiko haben. […] generell verändert sich die Verhaltensweisen also komplett.
JH Sind aus Ihrer Sicht die psychischen oder physischen Beeinträchtigungen durch den Krebs schlimmer?
PT Also, um ehrlich zu sein, es hält sich ziemlich die Waage. Es hängt natürlich auch von dem Tumor und dem Krankheitsverlauf ab und ist schwierig zu pauschalisieren. Ich hatte zum Beispiel fünf Tumore in der rechten Brust und es wurde hin und her operiert am Brustmuskel. Ich habe jetzt also auch immer noch Probleme und bringe den Brustkorb nicht so ganz auf und habe Schmerzen. Aber die Schmerzen sind mir halt egal, ich werde jetzt dann 60 und hab keine Lust deswegen wie ein alter Gaul rumzuhängen. Ich denke das ist ziemlich ausgeglichen, obwohl in unserer Gesellschaft Menschen oft unter der psychischen Last leiden, wie man merkt. Aber auch das wird durch Bewegung besser. Es ist eben sehr individuell zu betrachten, einerseits wegen der verschiedenen Intensität des Krebses und andererseits, weil jeder Mensch verschieden ist und auf das Gegebene unterschiedlich reagiert. Es ist so wie im restlichen Leben auch, ein blöder Mensch bleibt ein blöder Mensch und ein netter Mensch eben ein netter; im Normalfall.
JH Was sind die Hauptprobleme der Krebspatienten?
PT Angst. Das Hauptproblem der Patienten ist Angst und Ungewissheit. Das ist ja logisch bei einer Krankheit, bei der man nicht weiß, wo die Reise hingeht und man von Ärzten oft nur Zahlen hört zur Überlebensrate, Sterberate, Risikosenkung, etc. Aber irgendwann verstehen die Menschen schon, dass sie immer mit der Krankheit leben werden und sie nie ganz weg sein wird. Aber hierbei sind die Patienten einfach manchmal sehr naiv. Wenn ich weiß, dass ich gegen eine Krankheit etwas machen kann, also Bewegung, gesunde Ernährung, gesunde Psyche, dann sollte ich das doch tun, oder? Aber das tun die Leute oftmals nicht.
JH Wie sehen ihre Pläne für OAC in der Zukunft aus?
PT Wir sind gerade dabei OAC mehr und mehr zu digitalisieren durch eine die OAC App und einen TV-Kanal, um immer mehr Menschen zu erreichen; vor allem auch international und in Ländern, die zu solchen Unterstützungen einen geringen Zugang haben. Weiterhin soll natürlich auch nachhaltig gearbeitet werden.
JH Wenn Sie eine Sache auf der Welt ändern könnten, was wäre das?
PT Ich möchte ganz gern, dass die Leute endlich ihr Hirn einschalten und nachhaltiger Leben; ist ganz einfach … Dass auch die alten Menschen verstehen, dass es nicht immer nur um sie geht, sondern dass wir Kinder haben und irgendwann Enkel- und Urenkelkinder und dass wir für die nachhaltiger werden müssen. Ich schäme mich auch für manche Leute meiner Generation, weil meine Generation neben den ganz Alten die ist, die sich oft „nichts scheißen“. Ich kann das nicht verstehen! Wir müssen alle nachhaltiger Leben und unseren Planeten so behandeln, wie er es verdient. Schließlich sind wir hier nur zu Gast!
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